Beitragsfoto: Bingo/Kees Jonker – Flickr
Rauchverbot und höhere Gewinnbesteuerung sorgen für ein Sterben der Bingohallen?
Möchten Sie Großbritannien ganz und gar kennenlernen, genügt es nicht einen Pub aufzusuchen, ein Ale zu bestellen und beim Blick aus dem Fenster auf Doppeldecker-Busse, rote Telefonzellen und in Luftrichtung von Buckingham Palace oder Big Ben zu blicken. Die Kultur Großbritanniens ist auch weit mehr als TeaTime um fünf und der regelmäßige Besuch eines von 10 Musicals im Westend Londons.
Großbritannien, das sind auch die legendären Bingohallen, in denen sich heute Damen höheren Alters im Alltag zusammenfinden, um über das Leben, die Familien oder das Königshaus zu plaudern. In den Bingohallen findet ein Großteil des gesellschaftlichen Lebens statt, der durch die aktive Teilnahme an der Bingo-Live-Ziehung gekrönt wird.
Die Bingohallen sind der Lifestyle der älteren Damengenerationen
Vor Beginn des Bingo Spiels werden die Bingo Lose verkauft. Bis zum Spielbeginn gehen die überwiegend anwesenden Damen dem Speisen oder dem Genuss eines Getränks nach. Mit Beginn des Bingo Spiels sind das Königshaus, die Alltagsthemen und bei mancher Teilnehmerin auch die Sitznachbarin vergessen. Die Ohren hören auf die Nennung der Zahl, während die Brille den meisten dabei hilft die Zahl auf ihrem Wettschein zu finden und zu markieren. Bis Anfang 2000 gab es in Großbritannien ca. 670 Bingospielhallen. Trotz bekannter Touristenattraktion mussten bis 2013 insgesamt ca. 270 Bingospielhallen schließen.
Die Cara Coral Group ist dabei die größte noch aktive Bingohallen-Kette. Doch auch diese sieht das Schiff immer mehr sinken und strebt einen Komplettverkauf der 140 Bingohallen an. Betrüblich, gehen die Erinnerungen auf jene Zeiten zurück, in denen die Nachfrage nach Bingohallen einst so hoch war, dass alte Kinos in Bingohallen umfunktioniert wurden. In den blühenden Zeiten der Bingohallen lockten Preise, wie die Überfahrt nach London auf der Queen Elizabeth II. zum Bingo Spielen. 400 Bingo-Gewinner nahmen letztlich an der geschichtsträchtigen Schifffahrt teil. Auch auf dem Schiff wurde regelmäßig Bingo angeboten, das Ende er 60er hinter vorgehaltener Hand fast schon zum Nationalsport der Briten avanciert ist.
Ein Blick in einen Bingo Spieltag aus dem Jahr 1972
Es ist kein Geheimnis: Im direkten Vergleich läuft das Bingo-Spiel dem Fußball den Rang ab. An jedem Nachmittag können sich Damen verschiedenen Alters, meist über 50, zusammenfinden und sich auf ihrem oftmals reservierten Platz einfinden. In dieser Zeit ist Bingo ein Familientreffen der besonderen Art, in dem der Betreiber der Bingohalle seine überwiegenden Kundinnen mit dem Vornamen kennt. Rentner und Rentnerinnen zahlen den Sozialtarif. Rund 8 Millionen Briten spielen jährlich mindestens ein Bingo Los. 1.700 Bingohallen blühen und bündeln das soziale Leben rund um die Bingo Ziehung.
Da das Bingo 90 Ball-Spiel so konzipiert ist, dass alle Einnahmen an die Teilnehmer ausgeschüttet werden, verdienen die Spielhallen Betreiber an der Gastronomie, Eintritt oder an Zusatzleistungen, wie dem Gastauftritt eines Sängers oder Cabaret-Stars. Schon 1972 galt die Regel: Viele Teilnehmer mindern die Gewinnchance und den Gewinn. Die monetären Gewinne fielen vergleichsweise niedrig aus, was niemanden zu stören schien. Denn viel wichtiger war das, was Bingo über das Gewinnen hinaus ermöglichte: Das Erleben in der Gemeinschaft und das Frönen der Glücksspielvorliebe mit minimalem Risiko.
Teilnehmerzahlen und Sicherheits-System im kurzen Check
Nicht nur ausländische Glücksspielinteressenten und Betreiber von Glücksspielen und Bingo Varianten fragen sich nach dem „Warum“ des Rückgangs. Am nationalen Interesse kann es nicht liegen. Wie eh und je ist das Interesse an Glücksspielen teilzunehmen bei ¾. der Britischen Bevölkerung weiterhin gegeben. Rund 3,5 Millionen Briten entscheiden sich regelmäßig an Bingo Spielen teilzunehmen. Die britischen Bingohallen gehören der Bingo Association an. Ein umfassender Blick auf die Bingohallen und die Hintergründe zeigen auf einmal die Rolle des britischen Fiskus. Deutlich über 2,5% der Bingo Einnahmen müssen an den Fiskus abgeführt werden.
Es wird deutlich: Die Bingohallen sind gegenüber Casino-Geschäften, Spielhallen und den Online Anbietern steuerlich benachteiligt. So werden Gewinne, die in der Bingohalle erzielt wurden, vom britischen Fiskus mit höheren Abgaben belastet. Die Korrektheit der Ziehung, sowie die Sicherheit werden dabei von der seit 2005 im Bereich des Glücksspiels agierenden und regulierenden Gambling Commission gewährleistet.
Der Anfang vom Ende? Weniger Komfort in den Bingohallen durch Rauchverbot
Der Trend zum Spielen von zu Hause aus hat sich seit Inkrafttreten des Rauchverbots, 2007, mehr und mehr durchgesetzt. Das Phänomen des Kaufs eines Loses aus Papier, gemeinsames Zeitverbringen mit Nachbarn, Verwandten, Freunden oder Fremden und das Fiebern oder sich ärgern beim Feststehen des Bingo Siegers gehören für unzählige Britinnen mehr und mehr zur Vergangenheit. Online Bingo hat ebenfalls seinen Beitrag dazu geleistet. Ebenso die Elektronisierung der Bingo Teilnahme im Geschäft. Das Bingo Los ist digital und wird auf den Tablet PC oder das Smartphone des Kunden übertragen. Geht die Frage nach dem „Warum“ an die Sprecherin des Bingoverbandes, wird als neue Zielgruppe das männliche Geschlecht bis 30 Jahre genannt.
Deutlich wird, dass die britischen, älteren Damen, die dieser traditionellen Spielkultur entscheidende Lebensenergie einhauchen und Bingo in Großbritannien zu dem Stellenwert von heute verholfen haben, unwichtig geworden sind. Ihre Interessen mit dem Rauchverbotsgesetz ignoriert? Ein klares Ja ist die Antwort. Die bisher stärkste Kundengruppe der Bingohallen wird zunehmend fallen gelassen und muss zusehen, wie es planlos und regressiv mit der liebgewonnenen und irgendwie zur Identität und inneren Einstellung gehörenden Bingo Spielweise in Bingohallen jetzt und zukünftig weitergehen soll.
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