Wie geht man in einem Land vor, das eine hohe Analphabeten-Rate und eine hohe Armut aufweist, wenn man für den Erhalt einer Einrichtung umgehend Geld verdienen möchte? Man nimmt Tierbilder, kombiniert diese mit einer Zahlenkombination und erschafft eine Tierlotterie. Zur Teilnahme an der Lotterie genügt es das Tier zu nennen und einen von einem selbst frei gewählten Geldbetrag zu entrichten. Diese Lotterie ist in Brasilien als Jogo de Bicho bekannt und wurde 1890 erstmalig gespielt. Der Initiator war der Baron Joao Batista von Drummond.
Mit den zukünftigen Einnahmen wollte er den Erhalt des Stadtzoos erreichen. Da dieses Glücksspiel ein wahres Glücksspiel des Volkes ist und nicht vom Staat kontrolliert wird, steht das Spielen und Interagieren als Spieler, Wechsler oder Spielleiter in Brasilien unter Strafe. Das Spiel ist bereits ab 2-5 Cent Euro möglich. Auszahlungen werden sofort vorgenommen und können im Verhältnis 1:1 bis 1:50.000 liegen.
Rio de Janeiro: Ein Spielort des illegalen Jogo de Bicho
Das Spiel überzeugt und lebt durch seine Einfachheit. Sowohl bei der Ziehung der Zahlen, als auch der Abrechnung mangelt es an Transparenz, was die Teilnehmenden nicht daran hindert ihre Tier-Tipps an den Wechsler weiterzugeben. Zu den Teilnehmern gehören für gewöhnlich Urbrasilianer und Wahl-Brasilianer. Häufig stammen sie aus den Slums, den Brasilianischen Favelas.
Bereits 45 Jahre später nach der ersten Jogo de Bicho-Ziehung, 1935, haben die Akteure einen wirtschaftlich und in gewisser Hinsicht auch politisch, einen vergleichsweise hohen Stellenwert erlangt. Die eigenst ernannten Bankiers haben allein in der Brasilianischen Hauptstadt über 60.000 Angestellte, die Tipp-Abgaben oft mündlich entgegennehmen und weiterleiten. Landesweit wird in den 40er Jahren von einem Jahresumsatz von mehreren Millionen Euro ausgegangen.
Die Bankiers müssen für ihren Bereich stets den Überblick an Einnahmen und Tipp-Abgaben halten, damit die Auszahlungen stets gewährleistet sind. Genaue Gebietsaufteilungen erinnern an mafiaähnliche Zustände und sind in Anbetracht der Gewinnmöglichkeiten und des Machtstrebens eine logische Konsequenz.
Die gesetzliche Ahndung und Verurteilung in Brasilien
Festnahmen enden in Freilassungen, Verurteilungen von Drahtziehern mit einer Haftstrafe von mehreren Jahren werden nach wenigen Tagen beendet, Richter verlieren während des Prozesses oder mit Prozessende ihre Anstellung. So steht das Jogo de Bicho mit mehr als einem Hauch von Unterwanderung der Brasilianischen Justiz in Verbindung. Da der Staat durch Festnahmen und Bußgelder indirekt am großen Geschäft mit den kleinen Leuten mitverdient, untersteht das Jogo de Bicho gewissermaßen einem Duldungsrecht. Getreu dem Motto: Was man nicht sieht, gibt es nicht.
Die heimlichen Herren der Brasilianischen Metropole
Das Spiel zieht seine Kreise und macht selbst vor namhaften Politikern keinen Halt. Mittlerweile hat sich Jogo de Bicho in die Kultur des Landes eingebrannt, wie eine Zigarre in Samtstoff. Über die Jahrzehnte haben sich die Wechsler und Bankiers zu Vertrauten, regelrechten Freunden der Brasilianischen Familien entwickelt. Auch ein Grund für die hohe und regelmäßige Teilnahme an der Lotterie mit Zahlenreihen und Tiersymbolen. Aufgrund ihrer Machtstellung und einem gewissen Freibrief-Status gegenüber der städtischen Polizei, werden die obersten Akteure des Jogo de Bicho auch als heimliche Herren Rio de Janeiros bezeichnet.
Fazit: Ein Spiel, das es eigentlich nicht gibt
Seit den 80er Jahren werden Stimmen aus der Politik laut das Glücksspiel Jogo de Bicho zu legalisieren. Doch die Drahtzieher des beliebtesten Lotteriespiels Rio de Janeiros sind dagegen: So gut, wie jetzt wird es Ihnen hinsichtlich Geld und Machteinfluss nach einer Legalisierung nicht mehr gehen. Mal abgesehen davon, dass die Jogo de Bicho-Angestellten von landesweit über 100.000 Personen von heute auf morgen keine Aufgabe mehr hätten. Mit diesen Aussichten bleiben der Einfluss der Jogo de Bicho-Bankiers und der Stellenwert des Glücksspiels auch in Zukunft unangetastet und am Wachsen. Denn je mehr die Stadtpolitik die Bankiers, Lotterieteilnehmer, Wechsler und Spielleiter in Ruhe lässt, desto mehr nehmen die Lotterieteilnahmen zu.